#1

NSU = "Neue Dimension" ? NEIN.

in Antifaschismus.de 22.07.2017 14:17
von Markus Rabanus • 10.091 Beiträge

Ich werde die BpB anschreiben und bitten, nicht mehr von "neuer Dimension" zu reden oder genauer zu sein, denn "neu" ist allenfalls, dass breiteste Öffentlichkeit Kenntnis erlangte, in welchem Umfang der Verfassungsschutz nicht bloß versagte, sondern falsche Spielchen treibt.

Überhaupt keine "neue Dimension" ist das Vorhandensein rechtsterroristischer Untergrundorganisationenen. Jedenfalls gegen Juden, Sinti und Roma, Schwarze, jahrzehntelang auch gegen Türken, stets gegen Linke und jeden, der sich des Themas auf qualifizierte Weise annahm, also nicht mit Lichterketten, sondern aufdeckend.

Solcher Terrorismus wurde in beiden Teilen Deutschlands über Jahrzehnte hinweg stereotyp klein geredet - "Einzeltäter" oder wie auch jetzt "NSU-Trio".

Zwei Motive für das Kleinreden:

1. Beide deutsche Staaten konnten sich optisch nicht leisten, mit einem "Rechsextremismus-Problem" in Erscheinung zu treten.

2. Im Kalten Krieg sahen westliche Politiker in Rechtsextremisten praktische Partner gegen Linke.
Im Osten desgleichen, denn für die DDR durfte es Rechtsextremismus nur im Westen geben.

Das Oktoberfestattentat 1980 mit 13 Toten und über 200 Verletzten und Schwerverletzten machte Schlagzeilen und deutete an, was es an rechtsextremistischen Untergrundaktivitäten gab.
Aber es wurde nicht konsequent ermittelt oder gar geoutet, denn die Verstrickungen reichten weit in viele Geheimdienste und Nato-Kreise.
Rechtsextremistische Untergrundgruppen wurden für den "Ernstfall" vorgehalten und sogar bewaffnet, "dass die Russen einmarschieren".

Aber das Oktoberfestattentat war tatsächlich singulär,. weil auch in der rechtsterroristischen Szene umstritten, während der Terror gegen Einzelpersonen Permantanliegen solcher Kreise ist - und eine hohe Dunkelziffer haben dürfte, weil in einer Weise "verfolgt", wie am "NSU" zu sehen.

Allein gegen mich gab es wegen meiner exponierten Studentenpolitik in den Achtzigern mehrere Anschläge.
Es ließen sich Bücher darüber schreiben, wie umfassend das "Staatsversagen" war, aber in Wahrheit war es kein "Staatsversagen"; sondern gewollte Verweigerung des Staates, denn durch einen Prozess 1995 vor dem Moabiter Strafgericht gegen einen Kommilitonen von mir stellte sich heraus, dass mich mein Staat heimlich über viele Jahre für einen "linksextremistischen Verfassungsfeind" hielt und bis ins Private "beobachten" ließ.

Zum Strafprozess kam es delikaterweise nur deshalb, weil dieser VS-Spitzel zugleich für die Stasi "gearbeitet" hatte.

Ich hatte bei den Anschlägen Glück und auch nie Lust, gegen mein Land eine Welle zu machen, denn immerhin wurde kritischen Menschen in der DDR weit, weit schlimmer mitgespielt - und wichtiger war mir ohnehin, dass wir aus dem Kalten Krieg raus kamen, denn ich befand ihn für gefährlicher - einschließlich der bis heute gütligen gegenseitigen "Abschreckungsdoktrin".

Kurzum: Der NSU steht nicht für eine "neue Dimension".

Nebenbei bemerkt: Auch die G20-Krawalle stellten keine "neue Dimension" dar, denn es gab weit schlimmere Krawalle im Berlin der Achtziger und Neunziger. Und auch der "Schwarze Block" scheint mir früher deutlich größer gewesen zu sein.

Warum ist dann also immer von "neuer Dimension" die Rede?

a) Weil sich Politik entweder wichtig tun will, eine "neue" Gefahr erkannt zu haben, die insbesondere vom politischen Rivalen "unterschätzt" werde,

b) Und wenn etwas nicht "neu" wäre, dann die Politik in unverzeihlicherer Weise eigene Versäumnisse einräumen müsste.

Letzteres Phänomen findet sich nicht bloß in Extremismusproblemen, sondern hat universelle "Dimension", wenn dann doch mal ein Super-GAU passiert, "den es nach menschlichem Ermessen eigentlich gar nicht hätte geben dürfen" usw.,
- als hätten nie qualifizierte Stimmen auf die Risiken hingewiesen,
- die deshalb von sicherheitsrelevanten Kontrollfunktionen als "unzuverlässig" fern gehalten wurden,
- weil als "zuverlässig" gilt, wer die Bedenken für sich behält.

Wir haben bislang viel, viel Glück. Auch hinsichtlich eines versehentlichen Atomkriegs.

Bitte künftig genau überlegen, wenn von "neuer Dimension" die Rede ist.

Soweit. Schönes Wochenende wünschend und LG


The World Is Always Under Construction.
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#2

Schlussbetrachtung zur NSU-Mordserie

in Antifaschismus.de 27.04.2018 11:36
von Markus Rabanus • 10.091 Beiträge

Zur NSU-Mordserie:

@Yusuf, ich glaube nicht, dass da noch etwas aufgearbeitet wird.
Und ich schrieb es schon direkt nach den ersten Meldungen vom Tod der Terroristen und des brennenden Wohnhauses, dass alles vertuscht wird.

Aber der Befund bleibt:
Die NSU-Mordserie war nur möglich, weil

1. Geheimdienste und Ermittlungsbehörden trotz Sprengstoff-Fundes (Garagen-Durchsuchung) keine ernsthafte Fahndung betrieben oder die Terroristen sogar bewusst frei rumlaufen ließen, "um etwaige Netzwerke auszuspähen", als sei das nach Verhaftung nicht ebenfalls möglich. - Das ist permanente Praxis, dass "beobachtet" wird, als fände man dadurch irgendwelche Topterroristen, als seien die ermittelten Terroristen nicht "top" genug.

2. Geheimdienste setzten keine verdeckten Ermittler ein, sondern verließen sich faul auf "V-Leute" aus der rechtsextremistischen Szene, als würden die keine Märchen erzählen.

3. Geheimdienste verschafften über solche "V-Leute" Terroristen Ausweispapiere, unterstützten Terroristen aktiv wiederum mit der Ausrede, dass dadurch weitere "Beobachtungen" ermöglicht würden.

4. Geheimdienste waren mindestens in einem Fall mit einem Bediensteten direkt am Tatort zur Tatzeit, ohne den Mordschuss gehört haben zu wollen (Internet-Cafe).

5. Ermittlungsbehörden ermittelten gegen die Opferfamilien anstatt rechtsextremistische Täterschaft in Betracht zu ziehen. Solche Ermittlungsrichtung setzt bei den Ermittlern voraus, dass sie zu wenig oder keinerlei Bedarf verspüren, Rechtsextremismus als Gefahr wahrzunehmen. Oder dass auch die Ermittler minderheitenfeindlich sind.

6. Über den Tod der Terroristen (Wohnmobil) wurde in allen Nachrichten spektakulär berichtet. Trotzdem will man uns erzählen, dass die darauf folgende Aktenvernichtung "versehentlich" geschehen sei. Gegen alle tatbeteiligten Beamten hätte richtig wegen Unterdrückung von Beweismitteln ermittelt werden müssen. - Und diese Vorgänge verjähren.

7. Die parlamentarische und gerichtliche Aufarbeitung sprach zwar all diese Sachverhalte an, aber ohne strafrechtliche Konsequenzen für die straftatverdächtigen Beamten und VS-Mitarbeiter, die auch der Beihilfe zur Mordserie verdächtig sind.

8. Die Verurteilung der Terroristin vermag über die ausgebliebene Strafverfolgung Staatsbediensteter nicht hinweg trösten, denn ohne massives Staatsversagen wäre es nicht zu dieser Mordserie gekommen.

Im Übrigen glaube ich nicht, dass die Aktenvernichtung hinreichend war, um strafrechtlich relevantes, persönliches Verschulden zu vertuschen, denn im digitalen Zeitalter und durch ernsthafte Zeugenvernehmung wäre strafrechtliche Haftung sehr wahrscheinlich gewesen, denn es waren sehr viele Beamte mit diesem Terrornetzwerk befasst.
Aber die Geheimdienste durften sich mal wieder ernsthaften Ermittlungen entziehen.


The World Is Always Under Construction.

zuletzt bearbeitet 27.04.2018 13:48 | nach oben springen


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