#1

Griechenland

in Sonstiges 24.07.2018 05:00
von Markus Rabanus • 10.092 Beiträge

Kritik daran habe ich auch jede Menge, denn die Konsolidierungsmaßnahmen gingen hauptsächlich zulasten der Armen und des Tafelsilbers, aber tragfähige Alternativen hörte ich nicht.

Auch Varoufakis spielte die nationalistische Klaviatur, als seien die armen Griechen Opfer vorzugsweise deutscher Banken,

- denn von Merkel/Schäuble ließ sich allemal mehr holen als von anderen, um dem drohenden Chaos infolge staatlicher Zahlungsunfähigkeit zu entgehen.

- Und was die deutschen Banken anbelangt, dürfte es Merkel & Co. zwar tatsächlich auch um deren Rettung gegangen sein, aber was hatten die dt. Banken und Anleger eigentlich verbrochen, dass nun linke und ultrarechte propagandistisch über Merkel herfielen?
Die deutschen Banken hatten jahrzehntelang die höher verzinslichen Staatsanleihen Griechenlands mitgekauft und somit das griechische Staatsdefizit mitfinanziert.

Wie böse ist das?
Sehr böse, vor allem die Vorstände, aber doch eher gegenüber den Gierigen, deren Vermögen sie durch die griechische Überschuldung riskierten, während sich Athen hätte den Kopf machen müssen, wie man wieder auf eigene Beine kommt, denn jeder Kredit, der nicht durch Produktivität gedeckt ist, korrumpiert.

Varoufakis war allenfalls ehrlicher, denn er forderte (wie ich) Schuldenerlass und Geschenke bzw. Finanzausgleich, aber zur wahren Ehrlichkeit hätte das Eingeständnis gehört, dass die Steuerzahler und Wähler der anderen Länder nicht mitmachen würden, sondern nur mitmachten, weil ihnen stereotyp vorgekaukelt wurde, die "Rettungspakete" seien Kredite, keine Geschenke.
Die braven Zinszahlungen Griechenlands waren ausschließlich aus Neukrediten und der von Varoufakis (und mir) geforderte Schuldenschnitt kam klammheimlich mit Umschuldungsaktionen und die Staatsfinanzierung mittels weiterer "Rettungspakete" plus EZB-Nullzinspolitik.

Sollte das Ding mit der "Rettung" fehlschlagen, weil bspw. weitere Staaten ins Trudeln geraten, dann wurden für solchen Fall inzwischen längst Gesetze gemacht, die Sparkonten deutscher Bankkunden zu plündern. Und alles ist womöglich nur aufgeschoben, indem die EZB über jede Produktivität hinaus Geld druckt.

Schäubles Vorhaben, auf welche Weise "ein geordneter Staatsbankrott" oder auch "geordneter Bankenkonkurs" abzulaufen habe, wurde zu den Akten gelegt, weil das Chaos unausweichlich scheint. - Dadurch ist jedoch das Risiko nicht aus der Welt.
Vermutlich kommt dann irgendwann eine "Währungsreform" oder etwas aus den schlimmeren Trickkisten.

-------------

Was wären Alternativen?

Ich schlug bspw. vor, dass auch im EU-Binnenmarkt Griechenland Zölle ermöglicht werden, um Einfuhren zu begrenzen, die der griechischen Wirtschaft zu arge Konkurrenz machen und für zu großes Handelsdefizit sorgen.
Man hielt mir entgegen, dann sei es kein Binnenmarkt mehr. Das aber ist Käse, denn der Binnenmarkt hält jede Menge von Staat zu Staat unterschiedlicher Steuersätze für viele Warenarten aus.

Ein weiterer Vorschlag von mir lautete drastische Reduzierung der griechischen Rüstungsausgaben und der viel zu großen Armee, zumal ja die NATO von sich behauptet, ihren Mitgliedern Beistand zu gewähren, aber das wäre bei vielen Griechen schlecht angekommen und hätte womöglich (erneut) zum Militärputsch geführt.

Ein weiterer Vorschlag von mir lautet, dass den Mittelmeerstaaten die Kosten für die Flüchtlingsaufnahme überkompensiert werden.

Die EZB-Nullzinspolitik halte ich für falsch, würde sie allenfalls bedürftigen Ländern gewähren, was wiederum an der gegenwärtigen EU-Architektur scheitert, aber sie führt unter anderem dazu, dass die Banken nicht mehr von Einlagen und Krediten leben, sondern noch abhängiger vom Börsenkrams werden, der sie zwar heftig brummen lässt, aber äußerst labil ist.

Ich plädiere einen EU-Finanzausgleich, aber das auch nur im Rahmen einer gemeinsamen Steuer- und Sozialpolitik, gegen die sich jedes mir bekannte Land sträubt.
Und die Linken würde womöglich bloß dem eigenen Natiönchen eine Wohltat aus den Mühen anderer machen  

Ich bin da ein bisschen desillusioniert, denn ich habe mit ganzen Wirtschaftsräumen sympathisiert, in denen die Transparente und Funktionäre in Betracht der Realität so langweilig waren wie der Müßiggang bei 104-prozentiger Planerfüllung.
Und ich experimentierte mit vielen Unternehmensformen, erlebte die Inflation der Ansprüche, der die Produktivität nicht hinterher kam.
Wäre es anders, hätte ich meine Betriebe immer größer gemacht, aber Gelegenheit machte zu oft auch aus liebsten Leuten "Diebe"  , so dass für mich und unsere Kunden zu oft zu wenig übrig blieb.


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#2

Griechenlands Schuldenkrise

in Sonstiges 10.10.2018 13:51
von Markus Rabanus • 10.092 Beiträge

Griechenland wurde seitens der EU ebenfalls ein Schuldenschnitt gewährt, wenngleich keine Entschuldung, denn das hätten die Steuerzahler der Geberländer nicht mitgemacht, sondern ließen sich zu den enormen Finanzhilfen nur damit ködern, weil ihnen Rückzahlung versprochen wurde, die jedoch gar nicht stattfindet - es sei denn aus weiteren Krediten.

Griechenland hat m.W. die höchsten Militärausgaben pro Kopf.
Auch daran verdienten sich Deutsche eine goldene Nase, aber Vergesellschaftung der Schulden im europäischen Rahmen setzt m.E. eine komplett andere, dann ebenfalls europäische Mitbestimmung über die bislang nationalstaatliche Haushaltspolitik voraus.

Griechenland gilt als Wiege der Demokratie - und hat fürchterlich versagt. Und näher besehen aus dem Grund gemeinsamen Übels, denn in Europa geht es noch immer zu "nationaldemokratisch" zu: bspw. im internationalen und innereuropäischen Wettbewerb, gewinnmachenden Unternehmen eine "Steueroase" sein zu wollen, um das eigene Land mit einem Bruchteil dessen zu beglücken, was den erwirtschaftenden Ländern an Steuern verloren geht. - Alles Irrsinn. Und plausible Modelle zur Besserung fehlen, weil nicht (gemeinsam) daran gearbeitet wird.

Gleichwohl: Wer in Spendierlaune ist, weil im Glauben, dass die Entschuldung Griechenlands nicht die eigene Geldbörse treffe, sondern bspw. von den Aktionären der U-Boot-Werften und deren allzu idealistischen Arbeitnehmern, tut sich leichter mit Schuldenerlass-Forderungen als jemand wie ich, der nahezu überall Mitverantwortung sieht, so auch Eigenverantwortung von Griechen wittert.

Gregor Gysi weiß das eigentlich auch. Und auch mir würde eine Ehrendoktorwürde gefallen, aber sie darf nicht zu sehr auf einseitigen Gefälligkeiten beruhen.

Tritt Gysi (wie ich es tun würde) in seiner Dankesrede für ein vereinigtes, demokratisches Europa ein, welches auch die Haushaltspolitik umfasst, welches die nationalen Außen- und Verteidigungsministerien zugunsten eines EU einspart, denn auch das kostet uns viel Geld und geht zulasten des europäischen Geistes, wenn die EU keine Synergieeffekte zeitigt.

Nun, das muss er nicht zwingend, denn im Moment "ferne Zukunft", aber kaum mehr angebracht, in sich aus mehr und mehr "ferner Vergangenheit" auf Glückssuche zu begeben.


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