@Stephan J., wenn wir die arabische Welt oder gar muslimische Welt für den "Großmufti" haften zu lassen, hätten wir die Nürnberger Prozesse nicht kapiert, zwischen der völkerrechtlichen Kollektivhaftung einerseits und der abwegigen Kollektivschuld zu unterscheiden.
Kollaboration mit dem NS-Regime gab es in vielen Ländern, mit denen wir heute auf das engste verbunden sind - und kommen nicht annähernd in Versuchung bspw. die Franzosen wegen eines Vichy in moralischen Misskredit zu bringen.
Der m.E. wachsende arabische Antisemistismus der letzten Jahrzehnte hat zwar allerlei Ursachen auch im NS, aber wäre längst minderer, wenn auf die Zweistaatlichkeit gedrängt worden wäre, denn dass sich Israel mit der fortgesetzten Besatzungs- und sogenannten Siedlungspolitik regional und in der islamischen Welt keine Freunde macht, kann auch die besten Freunde Israels nicht wundern.
Und das intellektuelle Versagen ist eben, dass in Konflikten die Streitparteien in Versuchung geraten, gegeneinander auch die widerlichsten Register zu ziehen - so auf Seiten der Feinde Israels den Antisemitismus und auf Seiten israelischer Nationalisten Terrorismus- und Antisemitismusvorwürfe, als könnten die geeignet sein, die fortschreitende und gewaltsame Landnahme zu rechtfertigen.
Es ist schlimm, dass uns mit arabischen Kriegsflüchtlingen arabischer Antisemitismus ins Land kommt, aber ihnen die Zuflucht zu verweigern, hielte ich dennoch für falsch - und unsere Aufgabe darin, dem Antisemitismus mit aller intellektuellen und strafrechtlichen Kraft abzuhelfen. Allerdings kann deutsche und europäische Israel-Solidarität nicht soweit gehen, wie es sich ein Netanjahu wünscht, sondern sollte erheblich mehr diplomatische Energie darauf verwenden, dass dem israelischen Nationalismus Grenzen aufgezeigt werden - und zwar Staatsgrenzen, denn das kann nicht allein Netanjahus oder Israels Entscheidung sein.